Zur Komplexität von Perspektive und Raum bei einigen 8/16Bit Spielen (eine erste Annäherung)

Wenn man* Spiele spielt, akzeptiert man* meist auch jede Art von visuellen Regeln (erweiterte Spielmechanik). Denn: Es ist Teil des visuellen MagicCircles und des symbolischen Handelns. Interessanterweise bemerkt man oft zuerst gar nicht, was so seltsam ist. Man akzeptiert es einfach gerade bei 8bit/16Bit Spielen (Argumentation: war halt damals nicht besser möglich, ja aber …) und dennoch da gibt es oft ein – „irgendwas stimmt in diesem Darstellungssystem nicht“ – „Irgendwelche Regeln fallen aus dem ‚Systemrahmen‘. Das heisst, es ist gewöhnungsbedürftig, gerade weil es keine vereinheitlichte Perspektive gibt und vieles eher lokal/temporär oder zumindest symbolisch gehandhabt wird.

Selbstverständlich gibt es auch „klare“ Fälle: Etwa Seitenansicht und Jump&Run oder Seitenansicht und ShootEmUps oder TopDown-ShootEmUps.

Virtuelle/symbolische Kameras: TopDown (Welt) und Seitenansicht (Geister/Avatar)

Wir bemerken oft die Probleme schon gar nicht mehr, so sind wir uns gewöhnt Spiele (bzw. sozialisiert) zu akzeptieren. Hier im Fall von PacMan. Es ist eine Top Down Ansicht – das Labyrinth und die Interaktion darin (man* geht in 4 Richtungen) – aber !!!! die Geister/Avatar sind eigentlich eine Front-Ansicht! Oder liegen sie flach auf dem Boden? oder sind es „ganz einfach“ Billboard-Sprites, die sich zur Kamera hindrehen oder ist es eine Comic-Darstellung, wo alles möglich und gemixed wird? Vermutlich ist alles zusammen möglich.

Bone Cruncher


Diesen Fragen soll an einem anderen – weniger eingängigen Beispiel diskutiert werden: Bone Cruncher ein Spiel aus dem Game-Pool der EmeraldMine-Games. Dieses Spielprinzip erweitert Laybrinth-Spiele wie PacMan, um fallende Steine oder Gegner im vorliegenden Fall. Es gelten also verschiedene Regelsysteme für die Welt und ihre „Insassen“.

These: TopDown-Raum (vgl. Kartenansicht)


Im ersten Moment ist alles ‚ok‘. Die Spielenden akzeptieren: Die Umgebung ist offensichtlich TopDown. Die allgemeine Interaktionsregel (Bewegungsregeln) sind TopDown: „Aha Top-Down Perspektive“. Also müsste der Inhalt auch Top-Down sein. Zumindest die erste Spieler*-These.

Monster: Frontansicht

Allerdings stellt sich sofort die Frage: Warum ist dann dieser liebe Kerl von vorne gezeichnet? Eigentlich müsste er doch von oben nach unten sein. Also irgendwas Grünes von oben mit Ohren. Die Ansicht ist zudem 3Dimensional, weil mit Farbe und Licht/Schatten Pixel3D erzeugt wird.

Und beim Schritt nach rechts wird wird es noch interessanter. Hier bleibt es bei der Seitenansicht. Aber das ist ok, weil die Seitenansicht ja auch die Frontansicht ist.

Ein bisschen verwirrender wird es beim Gehen nach oben. Hier erscheint eine Kamera von schräg oben eingesetzt zu werden. Die Animation führt eine Art Bewegung in den Raum aus (siehe Füsse). Die Figur bewegt sich aber nur 2D nach oben.

These: Seitenansicht-Raum

Es wäre also naheliegend zu denken, dass es sich doch um eine Seitenansicht handelt und man dies auf das Gesamtsystem überträgt. Für diese These spricht auch, dass einige Dinge zu fallen scheinen (vgl. Emerald Mine Games)

Dagegen spricht aber, dass man nicht springen muss im Spiel, sondern sich auf einer 2D-Ebene x-y und nicht z bewegt. Aber hier passt dann wiederum die Aufsicht der Umgebung einfach nicht ins Konzept.

Es scheint mehrere Raumlogiken (Interaktion/Darstellung) zu geben auch je nach Spielfigur / Gegenstand (wie bei Emerald Mine Spielen üblich). Die ‚runde‘ Spielfigur springt darin einfach nach „unten“ im Raum.

Viel ist also möglich in der Interpretation – aber braucht es diese Erklärungen gar nicht – der Spieler* akzeptiert es einfach und die Frage wäre dann: Ab wann wirft es ihn aus dieser Fiktion oder stärkt gar dies analog unlogische Welt der Fiktion.

These: Symbolischer Raum

Eine andere Möglichkeit wäre eine kulturellere Interpretation – also nicht der Versuch eines Mappen dieser Welten auf einen analogen Raum. Hier würden die Spielenden* einfach in einer symbolischen Welt unterwegs sein – wie etwa in einem Kartenspiel. Darauf deutet dann auch der grosse Schlüssel hin – anders gesagt – er ist riesig und sogar eine ‚echte‘ Schlange hängt noch in ihm (freiwillig?).

Diese Art der Darstellung war selbstverständlich auch schon Mainstream etwa im Mittelalter (auch wenn man auf Google inzwischen sehr viele zentralperspektivische Bilder findet .-( zu Mittelalter) .

These: Comic-Raum

Eine aktuellere – zeitgenössischere – Interpretation in den 80/90er Jahren wäre natürlich der Comic. Gerade hier wird eben auch wiederum alles an Darstellungsmöglichkeiten „möglich“. Die starre Zentralperspektive aus dem Beginn der Neuzeit wird aufgebrochen. Vielleicht müssen die Gamewelten eben auch als Comic-Welten der 80/90er Jahre gelesen werden. Also als Welten die damit spielen anders zu sein. Was grösser sein muss, muss halt grösser sein. Es ist auch eine Darstellungsmöglichkeit, die sich an Kamera/Film orientiert – Nah dran wenn nötig, weit weg wenn nötig – damit wird erzählt. Dafür sprechen natürlich auch die vielen Comic-inspirierten Arcades wie etwa der Orginalkasten von Space Invaders. Und dafür spricht auch die Quernutzung von Comics in den Boxen und deren PrintMaterial wie etwa B. Suter dies aufzeigt.

These: Virtueller 3D PerspektiveRaum

Es könnte auch einfach sein, dass diese Ansichten eine Art Virtuelle 3D Perspektive simulieren und immer dann in die gerade aktuelle Visualisierung fallen. Also quasi 3D temporär und lokal anpassen. Braucht das Spiel die Figuren von vorn, nimmt es sie von vorn, braucht es sie von der Seite, sind sie von der Seite. Braucht das Spiel Grossaufnahmen, dann ja sind es Grossaufnahmen. Es wäre dann eben eine Art virtuelle Dauer-Umschalt-Perspektive.

Angebot an Perspektiven

Das Spiel erscheint nur in diesem Beispiel als ein Angebot von ‚Erklärungsmustern‘ (Thesen), die der Spielende* annehmen kann oder nicht. Für einige Raum-Thesen wird er belohnt mit anderen bestraft. Die Darstellung ist damit auch Teil des Motivationsdesigns eines Spiels: Der Spielende* kann sie einbauen in sein Konstrukt des Spiels oder er* kann sie auch einfach akzeptieren als Teil des Magic Circle: In dieser Welt ist es halt so.

Und/oder er kann sie selbst als Teil der Spielkultur lesen – in der gerade diese TopDown/Front-Perspektive unendlich oft eingesetzt wurde – gerade in den Anfängen.

Frage der Perspektive: Gamer* und GameDevs*

Die Frage der Perspektive spielt natürlich nicht nur für Gamer* eine Rolle, sondern auch für die GameEntwickler*, die ja diese Darstellungsformen entwickeln und auf ihre Akzeptanz prüfen mussten über Jahre. Sie mussten Probleme der Darstellung und der Repräsentation lösen wie etwa die eigentlichen viel zu kleinen Schlüssel darzustellen und das in einem Raum.

Es wird interessant sein hier in Interviews mit Designern*, der Frage nachzugehen, ob das bewusste Entscheidungen waren oder eher TryAndErrors, um die Akzeptanz und die Grenzen unserer Wahrnehmung und ihrer Akzeptanz.

Viele Beispiele zeigen auf jeden Fall, dass unser Gehirn sehr viel akzeptiert und eben nicht alles in eine analoge 3D Welt rückübersetzt. Auch wenn heutige Gameentwicklung mehr denn je mit zentralperspektivischen Konstrukten (Engines) arbeitet

Bedeutung

Perspektiven haben selbstverständlich auch Bedeutungen, implizieren Werte und Einstellungen (Erleben des Raums). Im vorliegenden Fall sind die Perspektiven von „höherer Warte“ also mit Distanz und Spielende* überblicken von TopDown das Geschehen. Sie kontrollieren zumindest visuell die Welt. Alle Dinge sind sichtbar, ein Überblick ist da. Die Figuren bewegen sich darin. Der Fokus des Spielenden* liegt aber dann eben auf der Figur, die (mit ihrer Umgebung) vermutlich mental weit mehr im Gehirn repräsentiert ist als der Rest des Spielfeldes (im Fokus).

Zeitgeist: Vom Überblick zur Suche nach dem Überblick – Gespiegelt im Game


Es könnte sein, dass diese Art der Perspektive auch den Zeitgeist von damals wiedergibt im Sinne von: Das äussere System ist sehr stabil, aber im Inneren ist das Individuum in seiner Ansicht und seinem Handeln doch freier (es hat eine eigene Perspektive) – auch wenn es sich am Ende nur in einem vorbestimmten Labyrinth bewegen kann. Damit würde sich auch der Zeitgeist spiegeln der 80/90er Jahre. In den 90er Jahren zerfällt ja auch im Gamebereich mit der Nutzung von viel Ego- und 3rd-Person Spielen, die OneScreen überblickbaren Welten in vom Spielenden total abhängigen und verwirrenden Welten. Hier muss der Spieler* suchen – er hat keinen Überblick mehr. Er ist auf der Suche und nur noch lokal ergibt sich Sinn.

ToDo


// Todo: Seitenansicht und Jump&Run, Top-Ansicht und ShootEmUp
// ToDo: Erweiterung der Kategorisierung: Hintergrund – Movable Objects
// ToDo: Visuell zeigen, welche Schwierigkeiten Top-down Perspektiven haben.
// ToDo: In Unity nachbauen in 3D um die Unterschiede zu heutigen Konstruktionen besser zu verstehen.
// ToDo: Vergleich mit Supaplex https://www.youtube.com/watch?v=nEFQmwiVtBM

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