Die 80er Jahre und zwei Formen von Unterhaltung und Kultur: Jugendunruhen und Cracks-, Demo- Computerspielscene [Thesendiskussion]

Bauer/Suter(?)/Dave(?)/Larissa(?)

Zu Beginn der 80er Jahre ist Zürich ein Dampfkessel. Seit Jahren wird den Jugendlichen (also eher jungen Erwachsenen) versprochen, sie bekämen endlich einen Freiraum (zur Selbstverwaltung). Sie fühlen sich zu recht nicht wahrgenommen und abgeholt in dieser Stadt. Denn heute wie damals gibt es wenig, was man tun kann ohne dafür zu bezahlen wie die „Hochkultur“ Oper und Schauspielhaus. Zürich ist natürlich nicht irgendeine Stadt, sondern die Zwinglistadt, die noch viel radikaler als andere auf ihren Reformator setzt: auf Arbeit, Arbeit, Arbeit und Beten gesetzt hat und dies hat angehalten bis weit in 80er Jahre hinein. Züricht arbeitet und feiert nicht! Diese Nicht-Offenheit ist einer der Gründe warum Zürich sehr spät zu ihrer Universtität kommt. Und Zürich ist auch nicht eine Arbeiterstadt wie etwa Winterthur. Ihren Aufstieg verdankt sie auch unter anderem dem Zweiten Weltkrieg und den Geschäften – stille Geschäfte vorallem. In diesem Sinn: Nichts soll hier die Ruhe stören.

Dies schlägt sich auch in Liedern etwa von Georg Kreisler nieder mit Sätzen wie (Daneben hat er sich auch noch Max Frisch „vergangen“ – sein Theaterstück sei langweilig 🙂 Man ist in ZH nicht besonders ehrlich. ):

„Auch führ ich gern nach Zürich, aber da ist das Leben nach Mitternacht so still.“

Es wird dann am Rande der Stadt in der Roten Fabrik (sonst genutzt vom Opernhaus) ein jämmerlicher kleiner Raum für eine 300-400k Stadt freigeräumt.

Jugendkultur I: Eigene öffentliche Jugend-Kultur 1980+ [Analog]

Und dann kommt es zur Eskalation am Opernhaus (das das meiste Kulturgeld „frisst“ – was es bist heute tut – der Kanton zahlt das Opernhaus der Rest die Stadt Zürich) bei einer Demo. Anlässlich einer Abstimmung zum Opernhaus fordern die jungen Erwachsenen endlich ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen und ! ein „Jugendhaus“. Es soll ihre Kultur sein und keine Elitekultur.



Es wird als Angriff auf die „bürgerliche Gesellschaft“ gesehen und aus der friedlichen Demo werden geradezu Schlachten in ungeahnten Ausmass und mit brutalem Eingreifen der Polizei. Dabei steht der gesamte Stadtrat inklusive der SP (Lieberherr) dahinter. Es ist offensichtlich: In dieser Stadt will niemand* die Jungen Erwachsenen mitten in der Stadt. Die Härte dabei ist einzigartig in der Geschichte der jüngeren Schweiz. Man kann auch sagen: Jenseitig. Es gibt Leute aus Deutschland, die heute sagen: „Wären sie in Berlin so zur Sache gegangen, wäre Berlin abgebrannt.“ Es geht hier offensichtlich um viel mehr als um ein Jugendhaus. Es geht um Einmischung und Deutungshoheit. Und die Deutungshoheit ist bis heute eigentlich bürgerlich geblieben – so wird wenig in den Dokumentationen über das bleierne Zürich geredet und mehr über das Neue damals. Spricht man dennoch mit den Leuten über das Zürich von damals, hört man selbst im universitären Umfeld Antworten wie diese: „Ein Sohn eines katholischen Bäckers – wie sie, wird sicher nie Professor an der UniZürich und geschrieben haben sie in der NZZ auch noch nichts“. Es ist eine Stadt, wo vieles abgekartet ist und eine Metastruktur besteht. Und ja auf dies trifft Veränderung.

// Schablonen Grafiti und Farbe (Suter)

Die Demonstrierenden lernen dann notgedrugen sehr schnell und kreativ ihre eigenen Medien zu nutzen von Demonstrationen (Nakt, Schwimmen), Musik (Punk und Co), Plakate, Comic, Grafitit/Sprayings, den neuen Videofilm (Cameras) mit Subversion und Humor etc.

Die Bewegung wollte also letztlich zwei Dinge: Sie wollten einen analogen wie geistigen Freiraum für Unterhaltung, Diskussion und Kultur. Am Ende bekamen sie nach dem AJZ (Alte Fabrik) in der Innenstadt dann die abgelegene Rote Fabrik (und den Dynamo – hinter dem Fluss). Letztlich wurde die Jugendbewegung damit natürlich entkernt und ihre Anrecht auf gleiche Bedeutung wie das OpernHaus ad Absurdum geführt: Keine Repräsentation in der Stadt! Das AJZ wird auch folgerichtig nach seinem Abriss zu einem Busbahnhof. Besser kann man eine Bewegung nicht beerdigen und sie dem Erdboden gleichmachen. Heute erinnert nur noch eine seltsame Skulptur am Rande des neuen Busbahnhofs daran. Sie stank grausig nach Urin und war mehrfach besprayed. Die Stadt hat bis heute sich nicht wirklich mit ihrer Vergangenheit auseinandergesetzt. Die Skulptur musste für den neuen Busbahnhof gereinigt werden.

// Bild: Sozialarchiv

Jugendkultur II: Consolen/Computer 1980+ unumstritten privat [digital]

Die Digitalen Spiele entstehen in den 80er Jahren auch für zu Hause (nach den Spielhallen). In Zürich war die älteste Spielhalle die Spielhalle Frosch im Niederdorf. Die Spielhalle war – wenn man so will – ein monitärer Treffpunkt, wo man zusammen (Tschüggelikasten, Flipper, analoge & digitale Spielautomaten) oder alleine spielte. Oft allerdings waren Spielsalon aber erst ab 18 Jahren zugänglich, weil auch noch gleichzeitig Spielautomaten betrieben wurden.

Diese Art des Spiels kennt also nur einen begrenzten – nicht als kultureller Platz angesehen – analogen monitären Ort. Hier gibt es auch keine Selbstbestimmung der Inhalte. Entsprechend entstehen auch dann sehr schnell Adaptionen für den Heimcomputerbereich oder die Heimconsolen.

// ToDo: Zitat „auch zu Hause Spielen“

In Grossbritannien, das auch eigene Computer herstellte (ZX 81/BBC – in CH eher Universitäten > Privat) – bringen die Entwickler* ihre Entwicklungen auch direkt in Zusammenhang mit den schlimmen wirtschaftlichen Bedingungen jener Zeit und die Trostlosigkeit der Zeit. Sie entdecken den Computer als neues Medium, es entsteht eine Hybridisierung von analoger Welt und digitaler neuer Welt.

„We had all sorts of different types of music coming out: ska, punk early electronic music and various fashions. [..] In 79er the Tories cam into power, … with some industry support. […] And I know its not a popular view, but I ll continue to say it, the average person playing and making computer games was a smarter person. They were the nerds at school, and the nerds were generally the ones in the top classes. [customers: same mentality] They were more open to new ideas. They turned on by new stuff.“
Jon Hare. Page 38. Britsoft an oral history.

ToDo: CHLudens Beispiele vorhanden?

Mehr dazu hier: https://research.swissdigitization.ch/?p=1333

Die Entwickler* machen Spiele und entwickeln damit nach ersten Arcade-Adaptionen dann auch eigene Spielkonzepte und füllen damit ihre Freizeit aber auch die wiederum die entstehenden Fairs und Shops. Dadurch entsteht eine reiche Szene und ein neues Genre von Spielen: Die Heimcomputerspiele. Spiele also die an das Spielen zu Hause angepasst ist. Klar dabei ist aber auch: Es wird mehrheitlich alleine gespielt oder zu zweit an einem Computer.

„Maybe they were into Isac Asimov and science fictioin, and they just loved the idea of robots and artificial intelligence and all of the kind of stuff, so they wer able to use these homecomputers to kind of live their fantasies. Their parents and grandparents, nobdoy really understood what they wer doing, so it was like a real adventure.“
David Darling. Britsoft an oral history.

ToDo: CHLudens Beispiele vorhanden?

Die Entwicklung dieser Spiele findet meist privat statt. Und wie oben – und das lässt sich auch in CH – beobachten – ist die ganze Sache nicht auf dem Radar der Gesellschaft angefangen bei den Eltern. Hier wird höchstens um die Zeit am Fernseher gekämpft, um am Anfang den Computeranzuschliessen. Der Computer braucht meist nur einen privaten Schreibtisch. Diese Scene „hat keinen eigenen analogen Platzbedarf“ und muss deswegen auch nicht kennen. Allerdings ist das aber auch ein Problem.

Biantone Pong was a rubbish game. […] I had some Pong variations, but I Just wanted more. There it was, it was the future of entertainment for me, and I just wanted more. I set my whole imagination firing off.
Peter Molyneux (17), P.33. Britsoft an oral history.

ToDo: CHLudens Beispiele vorhanden?

Trotz der erheblichen technischen Hürden (anders als bei den Kulturtechniken der Jugendunruhen, die meist sozial waren) sind diese Entwickler* daran sich ihren Raum zu erobern bzw. eher zu definieren. Denn es gibt diesen Raum ja nicht wirklich. Und das ist bis heute sein Problem. Das elektronische Spiel gibt es nicht wirklich als Kulturgut – es existiert ja nicht analog. Es gibt nicht mal Abspielorte wie Kinos mehr.

Treffpunkte bleiben deswegen in den 80er Jahren weiterhin die Spielhallen, Computershops mit Gamebereichen, die Pausenhöfe wie auch Computerclubs. Es sind also mehrheitlich alles marktwirtschaftlich „öffentlicher“ Raum, der an Verkauf gekoppelt ist. Aber kein für das Game dedikateter Raum wie etwa Theater. Hier trifft das Spiel auf eine seiner ganz grossen Erfindungen: Das Einzelspielerspiel meist mit Levels. Dadurch wird ein Entertainment möglich, das unabhängig ist von direktem sozialen Kontakt. Selbstverständlich wird meist auch zu zweit gespielt im Multiplayer oder beim abwechselnden Spielen . Computer und Consolen sind teuer.

Es kommt noch ein weitere Kultur hinzu die Demoscene. Diese trifft sich zu Demoparties, feiert (gerade in der Schweiz) und stellt Echtzeitproduktionen – sogenannte Demos her. Aber auch sie kommt ohne eigenen analogen Space über längere Zeit aus.

CH-Ludens Jugendkulturen im Vergleich

Viele Motivationen der Englischen Szene trifft man auch in Interviews an. Dennoch scheint die Generation ab 1985 (und die Mehrheit der Schweizer Entwickler* findet sich dor) mit der Homecomputerwelle Atari ST/Amiga eher auf verkaufbare Spiele aus als auf die Art von Kultur wie bei der 80er Jahre Protestbewegung aus. Eine Kultur, die sich auch buchstäblich ‚entzündet‘ hat am Widerstand. Das Medium Computergame dagegen wird selbst in CH praktisch nicht benutzt für aktivistische Aktionen (soweit bekannt). Eine Ausnahme ist vielleicht „The last Eichhof“.

Neben dem Selbstkonsumieren von Games und dem Entwickeln von Games entsteht natürlich auch in Zürich eine grosse Szene von Crackern. Diese Scene, die sich nicht unbedingt als systemkritisch bezeichnen würde, ist dennoch indem was sie tut, Antikapitalistisch. Sie cracken die Kopierschütze und machen die Spiele kopierbar oder bauen endlose Leben ein (Trainer). Auch wenn es sich bei der Cracker*-Scene um ein eigenes System handelt (mit eigenen Währungen), so ist ihr Output dennoch anti-marktwirtschaftlich. Vgl.dazu Gleb. Sie zerstört im ersten Moment den Kanal des Verkaufs, schafft aber auch für eine höhere Verbreitung der gekrackten Games.

Die eine Jugendkultur setzt auf eine gemeinsame Kultur, einen gemeinsamen Raum, die andere Jugendkultur macht eher das Gegenteil, das Medium Computer macht das Entertainment eher privat.

// ToDo: Artikel zum SinglePlayer-Spiel 80+ die neue Unterhaltung (ähnlich wie das Buch) mit interaktiver Aneignung.

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