Frage: Wem gilt meine Verpflichtung als Forscher? Der Wahrheit oder der Forschungsgruppe? Natürlich gibt es auch etwas dazwischen. Hier sollen aber dies als Gegensatz diskutiert werden, weil irgendwann der Bruch kommen kann.
// Folgender Artikel bezieht sich auf verschiedenste Forschungsprojekte der letzten Jahren die der Autor begleitet, an denen er mitgearbeitet oder mitgeleitet hat. Diese Projekte sind selbstverständlich nicht näher beschrieben.
Wissenschaft schafft Wissen. So das Diktum. Meist sehr zäh, aber dennoch es entsteht meist mehr Wissen – teilweise auch gegen den Willen der Wissenschaft im Sinne von „Prozessoren“. Das ist selbstverständlich diskutierbar. In einem herrschaftsfreien (was auch sozialfrei sein müsste) Raum würde Wissenschaft sich nur an einem orientieren: Der objektivierbaren Wahrheit. Das transzendentale Signifikat dieses Subsystems.
Natürlich ist dies eine völlig falsche Vorstellung. Es ist ein ‚Idealbild‘. Denn Forschung findet selbstverständlich in einem sozialen Rahmen statt (ein Rahmen der mit zunehmender AI-Nutzung auch in Entscheidungen wieder diskutiert werden wird). Dieser ist ebenfalls Interessen und Macht getrieben. De Facto bevölkern Wissenschaftsinstitution meist nicht die Besten in ihrem Fach, nicht mal die Besten in der Schnittmenge von Wissenschaft, Vermittlung und Lehre. Sondern die in diesem System ‚fittesten‘, was meint Angepasstesten. Wobei Anpassung hier nicht nur meint: Anpassen sondern auch – Eigenstrukturen schaffenden. Der Vorwurf an Wissenschaftliche Institutionen, dass darin einige einen Selbstbedienungsladen sehen, ist vermutlich nicht mal statisch von der Hand zu weisen, ist aber natürlich ähnlich wie überall sonst auch – siehe etwa Management von Firmen (wo auch der Eigennutz mehr ist, als der Nutzen für das Unternehmen). Wobei die „Wissenschaft“ zumindest gegen aussen höhere ethische Standards vertritt.
Diese Verquickungen von Sozialem und Macht (natürlich ist es letztlich dasselbe) trifft besonders auf Forschungsprojekte zu, das hier Netzwerke eine massive Rolle spielen. Das zeigt sich meist schon bei der Konstituierung eines Forschungsprojektes und dann auch bei der Genehmigung. Die „Blindheit“ dieser Verfahren ist auch oft in Frage zu stellen. Denn letztlich gibt es meist nicht genug unabhänigige Experten. Nichts desto trotz bewegt sich Wissenschaft am Ende.
Wem aber ist nun der Wissenschaftler* verpflichtet, wenn es zu Konflikten kommt (inhaltliche Meinungsverschiedenheiten). In diesem Fall nicht Kommunkationskonflikten. Also wenn es nicht darum geht, dass es ein Missverständnis ist, sondern eine „Handfeste“ andere Meinung? Der Wahrheit oder der Forschungsgruppe? Andere Ziele.
Im Idealfall ist die Sache klar: Es geht um die Wahrheit, um das Fortschreiten von Wissen in diesem Bereich. Der Idealfall ist natürlich ein Idealfall, die Realität ist: soziale Gruppe und Machtverhältnisse.
Da viele dieser Projekte entstehen als Zusammenarbeit (Forschungsprojekten) und damit verrechnet (gemeinsamen) Zukünften, sind solche Konflikte letztlich nicht austragbar. Das Forschungsprojekt besteht ja geradezu aus einem sozialen Konstrukt – diesem Projekt. Es besteht in einer minimalen Zusammenarbeit. Aktuell neigen Projekt dazu, Unterschiede als Kommunikationsprobleme darzustellen, statt als Konflikte – oft nicht auflösbare sogar nicht einmal gemeinsam lösbare Projekte. Projekte neigen aber dazu sich ihrem CommonSense hinzugehen, da inhaltliche Konflikte oft vermieden werden. Auch teilweise aus Angst vor der Angegriffenheit der Kontrahenten*. Der Konsens ist einfacher – kostet nichts und verrechnet auch die Zukunft (nie mehr zusammenarbeiten vs ok dann halt doch so).
Das scheint eine Lösung, wird dann aber zum Problem für das gesamte Projekt.
Inhaltlich: Ziele können nicht erreicht werden. In so einem Fall wird es natürlich schwierig. Weil es einfach nicht weitergeht. Und dies ist nicht nur inhaltlich – sondern gegen aussen. Es kann teilweise nicht unter dem Teppich gehalten werden. Es muss eigentlich entschieden werden, um weiterfahren zu können oder später wieder darauf zurückzukommen.
Glaubwürdigkeit: Allerdings lange davor geht es um Glaubwürdigkeit. Es geht um die Frage, können die Forschunspartner* noch mitmachen, wo ist der Knackpunkt. Ab wann beginnen sich die Leute innerlich von einem Projekt zu distanzieren und nur noch mit den Leuten im Projekt zusammenzuarbeiten, die ähnlich Standards haben. Das Projekt „fliesst“ dann um schwierige Projektpartner „herum“. Dies beginnt in vielen Projekten sehr früh, weil einfach das gemeinsame Ziel nicht mehr existiert. Das wird ja teilweise diskutiert.
„Fazit“
Es geht – also in den wenigsten Fällen – um die Wahrheit, das Wissen sondern dann irgendwann nur noch um das soziale „gemeinsame“ Konstrukt. Das Projekt lebt und kommt langsam vorwärts – lebt aber nur noch von der sozialen Konstruktion.
Hier müsste vielleicht auch darüber nachgedacht werden in Projekten, die Projekte splittbar zu machen von Anfang an (ein Plan mit einer Sollbruchstelle Plan B) oder sogar so zu gestalten, dass Personen aus dem Projekt austreten könnten, wenn es für sie nicht mehr etwa ethisch/moralisch vertretbar ist. Vielleicht sollten sie sogar weiter bezahlt werden.