Digitale virtuelle Welten und ihre kulturellen Vorgänger: der Text/Buch, Kochrezept und die Mathematik

Die digitalen Vorgänger sind nicht – so der erste Gedanke – die Bilder, sondern der Text und die Mathematik (die ebenfalls mehrheitlich in Text arbeitet). Die irrige Annahme kommt aus einer Gesellschaft, die sehr visuell geprägt ist. Dabei arbeitet die Gesellschaft über Jahrhunderte und tut sie immer noch entlang der Gutenberg Galaxy oder anders gesagt, sie nutzt den schriftlichen Text als Aufschreibe- und damit Organisationsmedium.

Giesecke hat in seinen Arbeiten auch aufgzeigt, wie sehr etwa die Reisen nach Übersee in Texten geradezu die Beschreibung von virtuellen Welten waren. Miteingebaut aber eben nicht Hauptmedium die Zentralperspektive und so bliebt es denn auch selbst in Romanen.

Turing erfand dann (natürlich nicht ohne Vorarbeit von anderen) die Universalmaschine, eigentlich nichts anderes als einen einfachene logischen Mathematiker mit Stift und Feder (während andere komplexe Maschinen erfanden). Anders gesagt: es enstand nach und nach eine auf Text (SourceCode am Ende) basierte selbstläufige Maschine. 3D Grafik konstruierte man seit Dürrer mit Grund und Aufreiss, wenn man nicht die Welt und die Optik für sich „rechnen“ liess. Und selbstverständlich hingen grosse beieindruckende Bilder in Häusern, Palästen und dann in Mussen. Nicht desto trotz sind die meisten Bilder wenig geprägt vom Bruch mit der Zentralperspektive oder gar der analogen Welt als Inhalt.

Anders dagegen die entstehenden Computerprogramme. Sie waren das Gegenteil – sie waren abstrakte Zahlen. Am Anfang Input und Outputmaschinen (Schreibmaschine und Papier). Bedient wurden diese digital analog/digital virtuellen Welten per Sprache. Und das blieben sie auch die längste Zeit. Sie waren in einem Sinne abstrakt, dass sich gesellschaftlich fast niemand dafür interessierte.

Die Welt war eine Stop&Go Welt und so ziemlich der grösste-mögliche Unterschied zur analogen Realwelt – in der Prozess immer jederzeit überall immer ist durch die Atome. Hierzu interessant „Von der Turnbased ...“ Die Maschine wartete und erst per Command-/Inputbestätigung ging es weiter.

Anders gesagt: Diese neuen Welten waren Text und Buchwelten, waren Gespräche mit einem Computer, waren interaktive Gutenberg-Galaxiswelten mit einem neuen Prozessor dem Computer. Sie waren maximal virtuell oder kybernetisch, was meint: Unabhängig von der „Realität“. Hier konnte jede Regel – sofern sie linearisier- und berechenbarwar gerechnet werden.

Man musst erst herausfinden, was man damit machen konnte. Das zeigt das Buch Wie die Welt in den Computer kam … besonders eindrücklich. Das digitale Virtuelle war eben letztlich die Fantasy aus dem Buch, in dem alles möglich ist. Zwar weniger, als was das menschliche Gehirn prozessieren konnte, aber eben doch einfacher.

Das Bild spielte eigentlich keine Rolle.

Das Bild kam erst spät wichtig ins Spiel, zuerst als Nutzung in 2D Oberflächen wie etwa Plato Systems. Aber blieb dennoch letztlich zweitrangig hinter der Datenverabeitung als Hauptzweck. Und das meistverbreitete Betriebssystem Unix war ebenfalls weiterhin ein CLI System. Input und Output.

Das Bild bleibt letztlich diesen Text-Ausführsystemen untergeordnet, es ist ein Spezialfall. Eine Anwendung. Es ist Ausdruck, es wird berechnet und eben nicht konstruiert. Eigentlich eine Schmach für das Bild, einem Medium, das sich immer auch als vermitteltes Abbild (Gemaltes Bild, Zeichnung) sah und es dann auch wurde in der Fotografie.

Und so kamen letztlich die Games auch nicht aus dem Visuellen sondern explizit aus den Regeln. Die ersten Spiele auf Grossrechnern waren Basic-Turnbasierte-Spiele also Text – weit weg von grafischen Abenteuer oder gar Grafik getrieben. Auch die Grafiken selbst enstanden als Zahlen bzw. Charactersets. Eine ganze Generation von Games entwickelt sich aus Rastern angelehnt an Textmodes von VT52 Computernterminals und dann als Tilebasierte Hintergründe. Und sie entwickelten sich eben nicht an freien Grafiken ohne Raster mit Hilfslinien. Sehr schnell wurde natürlich das Grafikdisplay wichtig aber als Visualisierung.

Insofern steckt hinter vielen Games bis heute der Text als Konzept und nicht etwas das virtuelle Bild. Die Regel und nicht die freie rasterlose Form. Selbstverständlich wird man einwerfen: Pong war freie Form. Pong war aber eben auch noch kein digitales Spiel. Es gehört letztlich in die analoge Entwicklung von Spielmaschinen, die es auch ab mit den elektromagnetischen Games.

Dieser Teil lebte dann in Form von Sprites fort, Rasterlose Dinge in diesen neuen visuellen Gamewelten. Selbstverständlich hatten sich diese neuen Welten nicht an der visuellen Kultur des Analogen orientiert. Denn dies war am Anfang für Echtzeitgrafiken zu komplex. Und da nahm man es – nachdem man die 2D Flachwelten verlassen hatte mit Farben – dann auch nicht mehr so ernst. Siehe dazu: „PacMan ist nicht (nur) TopDown!“ oder die Comic-virtuelle-symbolische-Sammel-Perspektive von PacMan oder Das Verrückte Labyrinth und seine Perspektivenvielfalt (1986)

Denn letztlich kam viel von diesen Spielen aus den Buchideen oder Büchern mit Spielregeln wie DnD – aus nicht visuell gebundenen Welten. Es war geradezu eine Abgrenzung. Die GameDesign Scene tat ihr übrigens und entfernte sich auch inhaltlich weiter von klassicher Grafik gerade in den 80er Jahren, entwickelte eigene Visionen.

Der Begriff/Konzept der virtuellen Realität ist denn auch eigentlich eine sehr konservative Idee bis hin zum Metaverse. Es versucht im virtuellen alles ist möglich Raum, das analoge wieder zu restaurieren und teilweise durchzusetzen. Die Idee: Die analoge Realität muss dahin hinein und die anderen Regeln sollen gefälligst verschwinden. Bis heute ist das nicht gelungen, vielleicht auch, weil es ein Missverständnis ist, wie sich die virtuellen digitalen Welten entwickelt haben. Sie waren nur teilweise die Sehnsucht nach dem (analog) Realen im Digitalen. Ihre Basis war keine 3D-Welt sondern eine Textwelt.

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