Games in ihren Anfängen: Ein Genre von Fantasy, gefeierte Fragilität oder ein EinigVolk von Spielenden* [Notiz]

René Bauer, (Hiloko Kato, Beat Suter)

Schaut man sich die ersten Games der Arcades und 8BitHomecomputerzeiten an, wird ein Bruch sichtbar mit vielen elektromechanischen analogen Arcades. Auch die . Sie handeln weit weniger von Krieg und sind weit weniger Simulationen. Diese Automaten waren oft mechanische Simulationen – anders wird es mit den digitalen Spielen. Ihre Regeln sind nicht mehr nur analog. Hier befreit quasi die „Digitalisierung“ die Spiele von ihrer analogen Kyberbernetik und damit werden auch neue Themen möglich.

Und diese gibt es zu Hauf gerade aus dem Bereich der Fantasyliteratur und Fantasy-Spiele wie DungeonAndDragons. Alles „wunderbare“ Welten – die sich von der Realität meist durch Vereinfachungen unterscheiden. Ihre Regeln sind einfach und lassen so ‚Einfach Happy Ends zu‘, einfach Geschichten. Dabei kommen öfter Stereotypen vor, die nahe an Rassismus grenzen und noch öfter gibt es eine vorgesehene Geschichte (Flüche, Vorhersagen, Gutes Blut, Könige). Es geht fast nie um Demokratie. Es sind geradezu eskapstische Welt. Die Frage ist natürlich nur, aus was flüchten die 70/80er Jahre in diese vereinfachten Welten. Gründe muss es genug gegeben haben. Von den Nazis in der Gesellschaft, einer 68Revolution, die nie Fuss fasste, einem aufkommenden Kapitalismus (Markt ist alles), weltweite Konkurrenz, Kriegen, Treibhauseffekt, Industrie, saurer Regen, einem Kommunismus, der nie einer war in der UDSSR und und und. Dabei funktioniert Fantasy für „Links und Rechts“ und kritisch genauso. Für die einen ist es Fantasy, für die anderen, das was sie gerne hätten. Und die meisten Geschichten huldigen dem kleinen Einzelnen oder einer Gruppe (DnD).

Es sind perfekte Zeiten für Vereinfachungen in einer komplexen Welt. Diese Fantasy-Welten scheinen prädestiniert für Games. Zum einen sind sie vereinfachend und zum anderen sind ihre Probleme lösbar. Und sei es – wenn perverserverweise ein verhinderter König (weil das Blut in ihm stark ist), es wieder ganz nach oben schafft. Es sind teilweise faschistische Geschichten. Aber all das stört nicht. Es ist vielmehr als flössen, die alten Ideen weiter (wie oben schon erwähnt). Für die einen allerdings mit einem Unterschied: Es war nun Fantasy und damit Fiktion und nicht mehr gewollte Lebensrealität.

Fantasy funktioniert mehrheitlich mit einfachen Regeln oder anders gesagt mit ‚einfachen Veränderungen‘ von existierenden „Settings“ etwa dem Mittelalter. Da wird oft eine Konstruktion des Mittelalters genommen und ein paar Dinge neu hinzugefügt wie etwa Drachen. Dabei erscheint natürlich dies klar. In den Erzählungen des Mittelalters gäbe es doch auch Drachen (wobei da eigentlich viele Lindwürmder unterwegs waren). Aber sei es drum. Das Fiktionale darf ‚Gott sei Dank‘ alles, andersherum hat ja gerade die Vernunft Europas und die Aufklärung all das vertrieben und es gibt keine Drachenfester anders als in Asien mehr. Anders gesagt: Es ist auch eine Wiederentdeckung Europas oder wenn man Anhänger von Freud wäre: Das zivilisatorisch Verdrängte darf weiterleben. Eine andere Form vom Prinzip „Hoffnung“.

Nicht desto trotz bleiben diese Welten gerade fragil. Es sind Lokallogiken und keine grossen Würfe. Sie bleiben Inseln im Alltäglichen und sie führen damit – wie oben angedeutet – natürlich die Fiktionen und das „Spiel“ mit Möglichkeiten weiter. Sie individualisieren auch das eigene Leben im Grossen und Ganzen: Denn hier wird jeder zum Held*. Sei es alleine oder in der Gruppe bei DnD.

Im Zeitalter der sich kulturelle, politisch und technisch immer mehr durchsetzenden Kybernetik sind diese Themen eigentlich Key. Und eben auch fragil. Denn jede Regel in Fantasy ist fraglich. Kommt man mit der Realität, ist alles weg. Man muss also fest „fiktional“ glauben. Das Commitment an diesen Magic Circle muss gross sein.

Das vor allem Heimcomputergame übernimmt diese Inhalte gerne, zumal sich darin auch die eigene technische Bedingtheit spiegelt oder einfach gesagt: Einfach umsetzen lässt. Und die Klientel will ja Spielen und nicht direkt Krieg führen wie viele analoge Automaten dann eher tun. Und selbst da wo Krieg geführt wird wie etwa bei Battle Tank – ist es nun die Zukunft als verfremdendes Fantasyelement.

Dabei geht auch die Grafikgestaltung diesen anderen Weg. Zum einen technisch, weil nicht viel möglich war, aber auch inhaltlich. Die Games orientieren sich nicht an zeitgenössischem Design – keine Abstraktion sondern möglichst viel ‚Realismus‘. Die Welten die hier erfunden sind mehr Plattencovers, Comicvorlagen als Upperclasskunst oder Design. Sie sind geradezu Gegenstatements. Hier soll sich eingefühlt werden und nicht nachgedacht über das Abstrakte. Die Flucht hier geht nicht weg ins Abstrakte sondern ins „digital Konkrete“ (was nichts mit der Algorithmischen Kunst zu tun hat oder Döhl). Und es ist dann eben auch digitaler Biedermeier. Eine höchst fragile Ausdrucksform, die nur im Fantasy bestand hat und draussen im Alltag jeden Moment zerfällt. Denn niemand* läuft in Lederschurz herum, im Games ist es aber möglich. Es bleibt einem keine andere Wahl. Hier trifft die Einfachheit.

Nimmt man diese Lesart (die selbstverständlich nicht alle Games dieser Jahre abbildet) so erscheint fast alles an Games (bis auf die Technik) als Fantasy. Die Grafik die Geschichten, die Musik. Dabei verstellt die Technologie oft den Blick diese Konstruktion.

Anders gesagt: Im Fantasy der Games mit ihrer Vereinfachung und Fiktion kann der Traum des Tellerwäschers noch digitale gelebt werden. Denn der Masse ist klar: Ihre Chancen werden nicht besser. Für die Kids jener Zeit ist das Fantasy-Genre Game eine neue Welt mit eigenen Regeln, die ihnen helfen über die Runden zu kommen. Es ermöglicht indivdualistische Heldenreisen jenseits der gesellschaftlich vorgebenenen. Selbstverständlich werden sie auch hier gegängelt, ermöglicht nur die freiwillige Diktatur des Spiels ihnen diesen Raum. Aber und das ist anfangs wichtig, es ist ihr Raum. Er ist (noch) nicht politisch durchsetzt. Auch wenn seine Fantasy-Regeln oft politische Wunschträume pur sind. Ihre Alltagsfragilität kann hier gelebt werden, das Fehler machen etwa (vgl. Jesper Juuls Buch dazu) ist hier möglich.

Fantasy ist auch in dieser Form (und wird es viel später in RolePlays und Mittelalterfesten) nur privat möglich, weil es öffentlich lächerlich wäre. Es kollidiert mit der analogen durchrationalisierten und dennoch mysthischen Welt des Kapitalismus. Und dennoch ist es eine selbstverständlich eine Herrschaftsform des Kapitalismus das Private.

Es ist dieser Weg den damals die Gamekultur einschlug und der vielleicht bis heute zu beobachten ist – indem die Gamekultur eine eigene geblieben ist – visuell wie auch spielmechanisch. Eine Abspaltung oder anders ein neues Territorium – dessen Rahmen der Kapitalismus bildet, in dessen Innern eine weltweite Community oft zurückkehrt und ein einiges Fantasyvolk ist. Abgeschirmt und digital mächtig aber politisch (noch) unbedeutend.

Anders gesagt: Bis heute zahlen die Spieler* Tribut mitels Geld oder Werbung an das kapitalistische System, um ein bisschen privat oder in Gruppen „frei sein“ bzw „fairen Wettbewerb“ spielen zu dürfen.

// ToDo: Vergleich die Themen von Pinballs – oft auch alltäglichere Themen
// ToDo: Vergleiche dazu Elearning System Plato und die Spiele da (Gated Universtity Community)

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